Kapitalmarktausblick 05/2022

Sachwerte, Zins und Inflation

23.5.2022

Aufgrund des Putin-Krieges und den damit zusammenhängenden Folgen für die Inflationsraten (siehe Kapitalmarktberichte vom März und vom April, die Sie hier und hier finden) und die Zinsen ist leider eine erneute Analyse der Auswirkungen auf die Sachwerte Aktien, Immobilien und Gold notwendig.

Die beiden folgenden Grafiken zeigen am Beispiel USA und Deutschland, dass der überwiegende Teil des Inflationsanstiegs schon ein Jahr vor Kriegsausbruch begonnen hatte. Danach fand nur in einigen stark von russischen Energierohstofflieferungen abhängigen europäischen Staaten wie Deutschland ein weiterer deutlicher Inflationsanstieg statt. Die Inflation hatte bis zum Februar 2022 kaum Einfluss auf die langfristigen Zinsen. Danach schnellten diese allerdings in beiden Ländern um 1%-Punkt nach oben.

Wohnimmobilien

Aktienkurse nehmen häufig realwirtschaftliche Entwicklungen vorweg, wie beispielsweise während der Finanzkrise ab 2007 oder der Coronakrise ab Anfang 2020 (siehe Grafiken 2a und b).

Häufig heißt aber nicht immer. Der amerikanische Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Samuelson (1915 bis 2009) sagte einmal: „Die Börse hat 9 der letzten 5 Rezessionen erfolgreich vorhergesagt. Diese Erkenntnis dürfte auch beim aktuellen Kurseinbruch von Wohnimmobilienaktien und der wahrscheinlichen künftigen Entwicklung von Wohnimmobilienpreisen in Deutschland zutreffen. Der Zinsanstieg seit Kriegsbeginn am 24. Februar drückte die Kurse der Wohnimmobilienaktien in Deutschland kräftig nach unten (siehe Grafik 3). Während die Inflationsrate seit Dezember 2020 bis zum Februar 2022 um 5,4%-Punkte und die Zinsen um 0,5%-Punkte gestiegen waren, blieben die Kursrückgänge von Immobilienaktien mit Verlusten zwischen 7% und 15% (Durchschnitt der 4 Aktien: -11%) in dieser Zeit noch moderat. Der nach Kriegsbeginn folgende Anstieg der Inflationsrate um 2,3%-Punkte und der Zinsen um 1%-Punkt drückte die Kurse der Immobilienaktien jedoch um durchschnittlich weitere 20% (zwischen -17% und -29%).

Ein Anstieg der Zinsen für 10-jährige Staatsanleihen in Deutschland von 0% vor Kriegsbeginn auf 1% führte zwar zu einem etwas stärkeren Anstieg der Hypothekenzinsen mit 10-jähriger Zinsfestschreibung von 1,4% auf heute 2,6%, ein 20%-Kurseinbruch von Immobilienaktien in diesen kaum 3 Monaten wird damit aber nicht ausreichend erklärt, zumal der Verband deutscher Pfandbriefbanken gleichzeitig einen Preisanstieg von Wohnimmobilien im 1. Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahresquartal von immerhin 10,7% meldet (FAZ vom 11.5.22), berechnet aus der Auswertung echter Immobilientransaktionen. Bei Wohnungskäufen hat der Zinsanstieg offenbar nicht gestört.

Der Grund für die schwache Performance der börsennotierten Wohnungen dürfte neben der Standardreaktion von Anlegern, auf Zinssteigerungen mit Aktienverkäufen zu reagieren, in den Mindeststandards für die Energieeffizienz von Gebäuden liegen, eine geplante Richtlinie der EU-Kommission, die durch die kriegsbedingten Energiepreissteigerungen relevanter geworden ist. Bis 2050 müssen 200 Mio. Wohnungen in der EU klimaneutral sein. Bisher hat beispielsweise Vonovia nach eigenen Angaben 3% des Wohnungsbestandes jährlich saniert. Damit wäre die Firma in 28 Jahren fast am Ziel. Bei einer aktuellen Dividendenrendite von 5% könnten die Kosten der Sanierung sogar dann gestemmt werden, wenn sie 100% des Wertes der zu sanierenden Wohnungen betragen würden. Dagegen dürfte es angesichts der Knappheit von Handwerkern – übrigens in ganz Europa, nicht nur in Deutschland - und den explodierenden Preisen von Baumaterial für zahlreiche Besitzer von wenigen oder nur einer Immobilie wesentlich schwieriger sein, eine energetische Sanierung durchzuführen. Langfristig wird eine wachsende Zahl unsanierter und wegen hoher Nebenkosten nicht mehr vermietbarer Immobilien zu einer Knappheit führen, von der Besitzer großer Wohnimmobilienbstände wie Vonovia profitieren werden.

Ein weiterer Aspekt, den die Verkäufer der Immobilienaktien möglicherweise übersehen haben, ist die künftige Entwicklung der Mieteinnahmen. Diese werden angesichts der durch eine nachhaltig höhere Inflationsrate stärker steigenden Löhne und Gehälter kräftiger als bisher wachsen. Arbeitnehmerentgelte beeinflussen nämlich seit 1991 die Mieten pro Kopf zu 98% (Grafik 4a und b).

Angesichts der hohen Inflation – und auch aufgrund der schrumpfenden Zahl der Arbeitnehmer in vielen Industrieländern - sind in den kommenden Jahren deutlich stärkere Lohnsteigerungen als in der Vergangenheit zu erwarten.

Damit entsteht insbesondere im energetisch sanierten Teil des Wohnungsbestandes in den nächsten Jahren ein deutliches Potenzial für steigende Mieteinnahmen. Insgesamt hat die Attraktivität von Wohnungen (ohne Sanierungsstau!) durch den Zinsanstieg der letzten drei Monate nicht gelitten, wie die folgenden beiden Grafiken zeigen.

Im letzten Jahr waren die Immobilienkäufer bei einem Zins für 10-jährige Hypothekendarlehen in Höhe von 0,6% mit einer Mietrendite von 3% zufrieden (oben links). Als jedoch der Hypothekenzins 1981 bei über 11% lag, war die Mietrendite mit 3,3% kaum höher. Die enorme Differenz zwischen Mietertrag und Hypothekenzinskosten (7,7% der Kaufsumme pro Jahr!) schreckte die Käufer nicht ab. Der Grund lag darin, dass am Immobilienmarkt neben der aktuellen Mietrendite auch das künftige Mietwachstum einbezogen wird, das offensichtlich aus der durchschnittlichen Inflationsrate der letzten 10 Jahre abgeleitet wird (Grafik 6b: Wenn man zur Mietrendite die Inflationsrate hinzuzählt, kann man die Summe beider Größen zu 82% durch den jeweiligen Hypothekenzinssatz erklären. Warum es sinnvoll ist, die Mietrendite und die erwartete langfristige Mietsteigerung zu addieren, können Sie im Kapitalmarktausblick vom Dezember 2021 nachlesen, den Sie hier finden). Aktuell können Anleger bei einer Mietrendite von knapp 3% und einer von uns erwarteten Inflation von 3,5%p.a. in den nächsten 10 Jahren mit 6,5% jährlichem Ertrag rechnen (Grafik 6b, orangefarbener Punkt); historisch wären sie jedoch mit 5,2% (waagerechter orangefarbener Pfeil) zufrieden, also mit 25% höheren Immobilienpreisen. Wohnimmobilien sind also auch nach dem Zinsanstieg unterbewertet und werden im Preis steigen, sobald die Anleger erkennen, dass die Inflationsraten langfristig deutlich höher sein werden als bisher.

Fazit für Wohnimmobilien

Höhere Inflationsraten und die demografisch bedingte Knappheit von Arbeitskräften werden künftig jahrelang deutlich höhere Lohnsteigerungen und damit auch Mietsteigerungen bewirken. Das Zinsniveau wird jedoch auch künftig unterhalb der Inflationsrate bleiben (siehe dazu Grafik 12 und den darauffolgenden Text). Damit bieten Wohnimmobilien ohne Sanierungsstau auch nach dem jüngsten Zinsanstieg weiterhin ein gutes Ertragspotenzial; der Kurseinbruch der Immobilienaktien in Deutschland ist – diesmal – kein zuverlässiger Frühindikator für künftig fallende Wohnungspreise.

Aktien

Um das Verhalten von Aktien, aber auch anderen wichtigen Anlageformen wie Renten, Wohnimmobilien und Gold in verschiedenen Phasen der Inflation (hoch, niedrig, steigend, fallend) darstellen zu können, haben wir deren Performance in Vierteljahreszeiträumen dem jeweiligen Inflationsregime zugeordnet. Zunächst sehen Sie in der Grafik 7a die Gesamtperformance im Vergleich zum Konsumentenpreisindex, den alle Anlageformen in diesem Zeitraum übertroffen haben. Allerdings blieben Aktien in den 70er Jahren, als die Konsumentenpreise deutlich anstiegen, weit zurück. Die Inflation einfach langfristig mit Aktien zu übertreffen, wird zwar auch künftig gelingen, erfordert aber ziemlich starke Nerven. Grafik 7b zeigt die Quartalsperformance der Anlageklassen über den gesamten Zeitraum.

Die folgende Grafik 8 zeigt die jeweilige Performance in den vier Abschnitten hohe sinkende, hohe steigende, niedrige sinkende und niedrige steigende Inflation. Dabei haben Aktien in Zeiten einer niedrigen und sinkenden Inflation besonders gut abgeschnitten (Bereich links unten). Die als guter Inflationsschutz geltenden Anlagen Gold und Wohnimmobilien wurden ihrem Ruf seit 1970 gerecht (Bereich rechts oben), während Aktien unter einer hohen und auch noch steigenden Inflation besonders litten.

Dem entspricht die Entwicklung seit dem Inflationssprung der letzten Monate (siehe Grafik 9). Aktien weisen deutliche Kursverluste auf, während Gold und Immobilien zulegen konnten.

Seit Ende 2019 haben die Sachwertanlagen Aktien, Immobilien und Gold die Doppelkrise mit Pandemie und Krieg bemerkenswert gut überstanden. Hätte man Ende 2019 beide Krisen korrekt vorhergesagt, hätte man sicher nicht die Prognose gewagt, dass alle drei Anlageformen über 10% jährliche Performance schaffen würden.

Die beiden folgenden Grafiken zeigen, wie sich die Gesamtperformance von Aktien zusammensetzt. Die Firmenerträge, hier dargestellt mit den international und über verschiedene Zeiträume gut vergleichbaren Cash-Flows, haben sich in den für die Aktienperformance insgesamt eher ungünstigen Zeiten (Grafik 8 rechts oben) hoher und steigender Inflation (Grafik 10, Feld rechts oben) ziemlich gut entwickelt. Hohe Inflation bedeutet eben für eine durchschnittliche Firma auch stärker steigende Umsätze. Die Kosten steigen zwar auch stärker, aber die Durchschnittsfirma macht üblicherweise Gewinn, also ist der Kostenblock kleiner als der Umsatz, weshalb sich der Gewinn bei Inflation besser entwickeln kann.

Als in den inflationsträchtigen 70er Jahren die Aktienkurse trotz steigender Cash-Flows stagnierten, waren die Zinsen für 10-jährige Staatsanleihen Ende 1979 in den USA auf 14% und in Deutschland auf 8% gestiegen und damit jeweils 2%-Punkte höher als die entsprechenden Inflationsraten. Dann nützt auch ein steigender Cash-Flow den Firmen nichts, weil Staatsanleihen zu einer unwiderstehlichen Konkurrenz für Aktien werden.

Dies zeigt die folgende Grafik. Wegen der hohen Zinsen sanken in den 70er Jahren die Kurs/Cashflow-Verhältnisse (vergleichbar mit dem Multiplikator auf die Mieteinnahmen bei einem Mietshaus) bei hoher und steigender Inflation (Feld rechts oben) so deutlich, dass die Aktienperformance trotz steigender Gewinne (Cash-Flows) nur knapp positiv war (Grafik 8, Feld rechts oben). Anleger verkauften Aktien trotz steigender Cash-Flows, um das Geld in hoch rentierliche Anleihen zu investieren.

Der entscheidende Unterschied der heutigen Zeit gegenüber den 70er Jahren ist die (Staats-) Verschuldung, die damals überall sehr niedrig war (in den USA bei ca. 35% des Volkseinkommens, in Deutschland sogar noch niedriger, siehe Grafik 12b). Staaten konnten sich überall zwecks Inflationsbekämpfung über den Inflationsraten liegende zweistellige Zinsen leisten (Grafik 12a), so dass Sparen wieder attraktiver als Konsumieren wurde.

Übertragen auf heute müsste der Zins in den USA bei über 10% und in Deutschland bei über 9% liegen (siehe Grafik 1a und b).

Dies wird jedoch nicht passieren. Die weltweite Gesamtverschuldung, also neben den Staatschulden auch die Schulden von Unternehmen, Privaten Haushalten und dem Finanzsektor, hat inzwischen rekordhohe 355% des weltweiten Volkseinkommens erreicht. Die britische Wirtschaftszeitung The Economist hat berechnet, dass ein Anstieg des weltweiten Zinsniveaus um nur 2%-Punkte die weltweite Zinsbelastung um 50% auf untragbare 18% des weltweiten Volkseinkommens erhöhen würde. Eine massive Rezession und Schuldenkrise wären die zwangsläufige Folge (Quelle: Handelsblatt, 11.2.2022). Das wissen auch die Zentralbanken, die genau deshalb die Zinsen nur ganz vorsichtig anheben.

Entsprechend ist auch die Rezessionsgefahr in den USA weiterhin niedrig, wie die sogenannte Zinsstruktur (die Differenz zwischen den 10-jährigen und den 1-jährigen Zinsen für Staatsanleihen) zeigt (Grafik 13). Erst wenn die 1-jährigen Zinsen über die 10-jährigen steigen (jeweils ein roter Kreis in der Grafik), gab es mit einer Ausnahme in den 60er Jahren nach durchschnittlich 13 Monaten eine Rezession.

Fazit für Aktien

In einem Umfeld hoher Inflationsraten können die Firmengewinne durchaus weiter deutlich ansteigen. Wenn die Zinsen wie in den 70er Jahren auf ein Niveau über den Inflationsraten ansteigen, wird die Aktienperformance niedrig oder negativ sein. Da wir jedoch angesichts der extrem hohen globalen Verschuldung sicher sind, dass die Zinsen auch nicht annähernd die Inflationsraten erreichen werden, bleibt der Ausblick für Aktien mit Ertragserwartungen im mittleren bis oberen einstelligen Bereich positiv.

Fazit für Gold

Der Goldpreis ist in den 70er Jahren bei hoher Inflation stark gestiegen (Grafik 7a, Grafik 8), obwohl die Zinsen am Ende dieses Zeitraums überall zweistellig waren. Im heutigen Umfeld mit Zinsen weit unterhalb der Inflationsraten wird Gold in den nächsten 10 Jahren erneut hohe Erträge erzielen können.

Trotz Krieg und Corona bleiben Sachwerte attraktiv, weil der Inflationsbekämpfung durch Zinserhöhungen enge Grenzen durch die hohe Staatsverschuldung gesetzt sind.

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