Kapitalmarktausblick 12/2024

Risiken und Chancen liquider Anlagen im Jahr 2025

30.12.2024

Executive Summary:

Trotz etlicher geopolitischer Turbulenzen (Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten, Regierungswechsel in Deutschland, Frankreich und Syrien, sowie fragwürdige Wirtschaftspläne des designierten neuen US-Präsidenten) kennen die US-Aktienmärkte, insbesondere die großen Technologiefirmen, die US-Wohnimmobilienpreise und der Dollarkurs nur eine Richtung, nämlich nach oben. Dass auch die US-Wirtschaft Probleme hat, die unter dem neuen Präsidenten möglicherweise sogar vergrößert werden, interessiert momentan noch nicht. Allerdings war es vor 35 Jahren in Japan, der damals angeblich führenden Technologienation, die aber auch im Schuldenaufbau führend war, und bis 2011 in den Schwellenländern, die im Kielwasser des (schuldengetriebenen) boomenden Chinas der Alten Welt (USA, Europa) davoneilten, genauso. Man ist begeistert von Kursgewinnen und möchte die Schulden dahinter nicht wahrhaben.

Allerdings gibt es etliche liquide Anlagen, die nicht aufgebläht sind (Aktien in den USA außerhalb des Technologiesektors wie Gesundheits- oder Basis-Konsumgüterfirmen, fast alle anderen Aktienmärkte außer Indien sowie Gold) und die durchaus auskömmliche Gewinne in der nächsten Dekade erwarten lassen. Es existieren also auch viele Chancen. Sogar im Bereich der Politik könnten sich einige Verbesserungen in Europa ergeben.

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Risiken

Zurzeit wird geopolitisch einiges geboten. In Syrien ist der Diktator geflohen, in Deutschland wurde der Finanzminister gefeuert und der Kanzler hat die Vertrauensfrage verloren, in Frankreich musste der Ministerpräsident gehen und in den USA übernimmt Donald Trump in wenigen Wochen die Präsidentschaft. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sind nicht beendet; ein Konflikt Israels mit dem Iran kann nicht ausgeschlossen werden. Da Syrien schon seit vielen Jahren im Chaos versunken ist, in Deutschland seit 20 Jahren nicht regiert, sondern nur reagiert wurde und in Frankreich Präsident Macron allenfalls noch bis 2027 im Amt bleiben kann, sind die wirtschaftspolitischen Pläne des künftigen US-Präsidenten, der zweifellos der Politikerkategorie der Populisten zugerechnet werden kann, weltwirtschaftlich von besonders großer Bedeutung.

Grafik 1 zeigt, dass nun sogar die Amerikaner ein wenig nervös werden, allerdings deutlich weniger als die Europäer. Wenigstens in der Disziplin der wirtschaftspolitischen Unsicherheit belegen die Deutschen seit 3 Jahren unangefochten den Spitzenplatz. Reagieren statt Regieren reichte noch in den geopolitisch ruhigen Zeiten der Vorgängerin von Kanzler Scholz, aber seit 2022 wäre ein neuer Politikstil sinnvoll gewesen. Nun muss das Land durch schwierige Zeiten gebracht werden. Um die Wachstumsraten zu stabilisieren und von internationalen Turbulenzen weniger getroffen zu werden, braucht es mehr Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Technologie und Verteidigung. Eine ständige Ausweitung von Sozialleistungen ist einfach nur noch falsch und fahrlässig, eigentlich auch eine negative Form von populistischer Wirtschaftspolitik, nur ohne Geschrei.

Das Ausmaß der Sorglosigkeit insbesondere am US-Aktienmarkt ist angesichts der wirtschaftspolitischen Unsicherheit auch in den USA (Indexwert aktuell bei 236, für die USA ein recht hoher Wert) beeindruckend. Grafik 2 zeigt, dass der US-Aktienindex S&P 500 durchschnittlich bis zu dem Monat, in dem dieser Wert aufgrund eines der in der Grafik genannten Ereignisses überschritten wurde, durchschnittlich knapp 6% verloren hatte. Nur vor der Eurokrise, die die Amerikaner nur sehr kurzfristig verunsichert hatte, und vor der 1. Wahl von Donald Trump gab es moderate Kursgewinne (aber niemals ein Kursplus von 32% wie diesmal, roter Balken).

In einer Studie über die Leistungen populistischer Regierungen – gekennzeichnet durch die Spaltung der Bevölkerung in „die Elite“ und in das vom populistischen Politiker vertretene „Volk“ - zeigen die Autoren, dass dieser in den letzten 40 Jahren zunehmende Politikstil (Grafik 3) seit über 100 Jahren eine deutliche Schwächung der Wirtschaft bewirkt hat (Grafik 4). Die wesentlichen Elemente des Populismus – Abschottung der heimischen Wirtschaft gegen freien Warenhandel und Einwanderung sowie Abschaffung der Unabhängigkeit der Zentralbank von der Politik – finden sich in den Vorstellungen des neuen US-Präsidenten wieder und waren seit über 100 Jahren die Ursachen für erhebliche wirtschaftliche Schwäche (siehe Kapitalmarktausblick vom November 2024, den Sie hier finden).

Für den wirtschaftlichen Verlauf des Jahres 2025 wird entscheidend sein, ob die genannten Rezepte des als Unternehmer allenfalls mäßig erfolgreichen Donald Trump lediglich Wahlkampfparolen waren oder tatsächlich umgesetzt werden. In diesem Fall dürften nicht nur für die US-Wirtschaft erhebliche Risiken entstehen. Zölle wirken ebenso wie die Massenabschiebung arbeitender Einwanderer direkt inflationssteigernd und dürften die US-Zinsen tendenziell nach oben treiben, wie es im Dezember nach entsprechenden Warnhinweisen des US-Zentralbankchefs bereits zu beobachten ist. Dies könnte den ohnehin bereits angeschlagenen Wohnungsbau und später auch die Konjunktur belasten.

Die realen Preise von US-Wohnimmobilien waren während des Zinsanstiegs der Hypothekenzinsen von 1970 bis 1981 um 7% gefallen (Grafik 5). Seit ihrem Tiefpunkt im Jahr 2011, nach der Wohnimmobilienkrise, haben sie allerdings bei ebenfalls deutlich gestiegenen Zinsen um 63% zugelegt. Da das Einkommen der Arbeitnehmer in den USA in den letzten 4 Jahrzehnten allerdings deutlich weniger gestiegen ist als das amerikanische Volkseinkommen - der Anteil sank von 57% auf 51,8% (Quelle: US-Zentralbank St. Louis) -, hat sich die Machbarkeit von Hauskäufen stark verschlechtert (Grafik 6). Damit dürfte sich die Anzahl der Baubeginne von Wohnhäusern, die seit April 2022 um 28% gefallen sind (Quelle: US-Zentralbank St. Louis), kaum verbessern. Diese Kennzahl deutet nach einer Analyse des Bureau of Econonic Analysis, einer Behörde des US-Handelsministeriums, seit 1947 bei einem Rückgang auf eine bevorstehende Rezession hin (roter Balken in Grafik 7).

Am Kapitalmarkt werden diese Risiken zur Zeit nicht berücksichtigt; die kleinen Unternehmen in den USA sind nach der Trump-Wahl plötzlich sogar optimistisch geworden (Grafik 8, roter Kreis rechts: stärkster Anstieg seit 50 Jahren; der andere rote Kreis zeigt den Anstieg nach dem 1. Wahlsieg von Trump 2016). Man sieht nur die auf den ersten Blick für die Wirtschaft günstige Idee einer geplanten massiven Deregulierung. Diese wird nach einer Aussage des frischgebackenen Wirtschaftsnobelpreisträgers Acemoglu in der Schweizer Zeitung Finanz und Wirtschaft von Mitte November nicht nur positiv sein, sondern auch zu einer Ausweitung betrügerischer oder einfach schlechter Produkte und Dienstleistungen führen, insbesondere, wenn sie von Politikern durchgeführt wird, denen das Allgemeinwohl weniger wichtig ist als der eigene Vorteil. Die Interessenkonflikte des Multiunternehmers Elon Musk sind jedenfalls offensichtlich. Er könnte beispielsweise die Behörde abschaffen, die die Zulassung autonom fahrender Elektroautos reguliert. Die weitere Absenkung der Unternehmenssteuern, die ohnehin auf einem angesichts der hohen US-Staatsverschuldung unangemessen niedrigem Niveau liegen, ist ebenfalls keine eindeutig gute Idee (siehe Kapitalmarktausblick vom November 2024, den Sie hier finden).

Erhebliche Sorglosigkeit zeigt sich auch am Markt für US-Unternehmensanleihen. Jahrzehntelang war die Gesamtverschuldung (Schulden des Staates, der Unternehmen und der Privaten Haushalte) in den USA sehr niedrig (Grafik 9). In dieser Zeit waren auch die Renditeaufschläge von Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen mit durchschnittlich 125 Basispunkten gering (Grafik 10), vermutlich aufgrund der grundsätzlich höheren Stabilität einer wenig verschuldeten Wirtschaft. Ab 1981 begann die Gesamtverschuldung von 131% des Volkseinkommens auf aktuell mehr als das Doppelte zu steigen. Auch der durchschnittliche Renditeaufschlag nahm kräftig zu. Aktuell liegt er aber auf einem Niveau, das in den letzten 40 Jahren nur in wenigen einzelnen Monaten leicht unterschritten wurde. Die möglichen Risiken, die durch Trumps populistische Ideen entstehen, werden damit nicht berücksichtigt. Sollten sich die wirtschaftlichen Daten der USA verschlechtern oder die Zinsen ihren Abwärtstrend bald beenden – eines dieser beiden Ereignisse dürfte eintreten -, werden Unternehmensanleihen spürbare Kursverluste hinnehmen müssen.

Am US-Aktienmarkt herrscht sogar eine gewisse Euphorie. Obwohl der Leading Economic Indicator der US-Researchfirma The Conference Board in den USA – ebenso in China und in der Eurozone – seit über 2 Jahren stark rückläufig ist, steigen entgegen dem bisher üblichen Verhalten die Aktienkurse kräftig an (Grafik 11, siehe dazu auch den Kapitalmarktausblick vom November 2024, den Sie hier finden). Die Bewertung des Aktienmarktes anhand der Entwicklung der Aktienkurse im Vergleich zur Entwicklung der Fundamentaldaten ist inzwischen erneut auf den historischen Höchststand seit 50 Jahren angestiegen, der zur Jahrtausendwende während der Internet- und Telekomblase erreicht wurde (Grafik 12). Die daraus folgende Ertragserwartung für die nächsten 10 Jahre ist dementsprechend sehr niedrig (Grafik 13).

Eine derart hohe Bewertung von Aktien und Unternehmensanleihen ist angesichts der ohnehin schon gegebenen und durch Trumps mögliche populistische Politik verstärkten wirtschaftlichen Risiken gefährlich und dürfte im Jahr 2025 zu einem Rückschlag am US-Aktien- und Unternehmensanleihemarkt führen. Auch auf die beiden anderen Phasen einer sehr hohen Aktienbewertung (Anfang 2000 und 2021, Grafik 12) folgte innerhalb von wenigen Monaten ein deutlicher Kursrückgang von 46% bzw. 25% (Quelle: Trading Economics).

Auf die moderat optimistischen Prognosen der regelmäßig im Dezember von Bloomberg befragten Aktienstrategen der großen US-Finanzfirmen, die für 2025 im Durchschnitt eine Kurssteigerung von 7,5% erwarten (rechter Balken in Grafik 14), sollte man nicht vertrauen. Vor 2 Jahren hatten die Profis zum ersten Mal seit Beginn der Befragung im Jahr 1999 einen leichten Kursrückgang und im letzten Jahr den zweitniedrigsten Kursgewinn prognostiziert (rote Balken in Grafik 14). Es folgten jedoch die beiden größten Kursgewinne seit 1999 (grüne Balken in Grafik 14). Die statistische Analyse von Prognose und realisiertem Ergebnis ergibt einen R²-Wert von 0,013 (Grafik 15). Diese Zahl liegt sehr dicht bei Null, was bedeutet, dass es praktisch keinen Zusammenhang zwischen prognostiziertem und realisiertem Wert gibt.

Auch in der Eurozone werden die wirtschaftlichen Frühindikatoren, die seit über 2 Jahren stark rückläufig sind, am Aktienmarkt ignoriert (Grafik 16). Die Bewertung europäischer Aktien ist jedoch fast 40% günstiger als im Dezember 1999 und 16% günstiger als 2021 (Grafik 17), so dass die Ertragserwartungen mit 5% p.a. zwar nicht sehr hoch sind (Grafik 18), aber deutlich höher als bei US-Aktien und auch höher als das langfristige Zinsniveau, das in Europa ca. 3% beträgt. Die Kursverluste nach den Bewertungsspitzen betrugen in Europa 53% ab 2000 und 15% ab 2022.

Das Zwischenfazit lautet, dass die anhand der Leading Economic Indicators bereits seit längerem erkennbaren Risiken für die Konjunktur in den großen Wirtschaftsräumen der Welt (USA, China, Eurozone) nicht durch den Amtsantritt von Donald Trump ausgeräumt werden. In China und in der Eurozone, die beide von den Zöllen negativ beeinflusst werden würden, werden die Risiken eher weiter steigen. Auch für die US-Wirtschaft tauchen durch Inflationsrisiken aufgrund von Zöllen und Massenabschiebungen, die weitere Zinssenkungen verhindern dürften, neue Konjunkturrisiken auf. Da auch die Geopolitik in den letzten 3 Jahren keineswegs ruhiger geworden ist, kann man den starken Anstieg der wirtschaftspolitischen Unsicherheit sehr gut nachvollziehen, den ungebremsten Höhenflug der Aktienkurse, insbesondere der amerikanischen, allerdings nicht. Auch US-Wohnimmobilien dürften unter den abgeschwächten Zinssenkungserwartungen eher leiden.

Chancen

Der Aktienmarkt bietet trotz der diversen Unsicherheiten auch durchaus Chancen. Viele Anleger bevorzugen zur Zeit IT-Aktien, nicht nur wegen der Phantasie zum Thema Künstliche Intelligenz, sondern häufig auch einfach deswegen, weil diese wie auch US-Aktien insgesamt in den letzten 15 Jahren besonders stark gestiegen sind (Grafik 19). Gesundheitswerte, die fast ebenso gute Wertsteigerungen geliefert hatten, sind dagegen weniger gefragt. Dabei ist die Performance von Gesundheitsaktien wesentlich „gesünder“ als die des US- oder des IT-Aktienmarktes. Grafik 20 zeigt, dass die schwarze Linie seit 10 Jahren, aber auch seit 1995, etwa konstant verlaufen ist; Gesundheitsaktien sind nicht stärker gestiegen als ihre Fundamentaldaten (Dividenden, Bruttogewinne und Buchwerte). IT-Aktien waren jedoch vor 10 Jahren 30% billiger als 1995 und sind jetzt 80% teurer. Die anderen Aktienmärkte sind nicht teurer geworden (Grafik 20).

Wenn man die historischen Daten der letzten 30 Jahre mit unseren Prognosen für die nächsten 10 Jahre vergleicht, so ergibt sich in den meisten Aktien-Teilmärkten ein ähnliches, aber im Bereich der US- und IT-Aktien, die bisher eine besonders hohe Performance hatten (Grafik 21), ein sehr unterschiedliches Bild. Grafik 22 zeigt, dass dort in der nächsten Dekade nicht viel verdient werden dürfte (siehe auch die Grafiken 12 und 13).

Dies mag zunächst unrealistisch erscheinen, aber es entspricht dem Bild, das Aktien, Immobilien und Währungen sehr häufig zeigen, wenn sie über längere Zeiträume weitaus stärker steigen als ihre Fundamentaldaten (siehe dazu ausführlich den Vergleich dieser drei Anlageklassen in Japan vor 1990 und in den USA 2024 im Kapitalmarktausblick vom November 2024, den Sie hier finden).

Nachfolgend zeigen wir ein weiteres Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit für diejenigen, die sich nicht mehr an die Japan-Blase vor 35 Jahren erinnern können. Im Jahr 2010 gab es einen Bereich des Aktienmarktes, der sich weltweit enormer Beliebtheit erfreute, nämlich die Schwellenländer (Grafik 23). Auslöser war der ungebremste Konjunktur- und Bauboom in China, der zu steigenden Rohstoffpreisen führte (siehe Grafik 28) und viele rohstoffproduzierende Schwellenländer mit sich zog. Die „alte“ Welt (USA und Europa) war abgehängt, hatte gleich zwei schwere Krisen durchlitten, nämlich den Zusammenbruch der IT-Branche ab dem Jahr 2000 und die von den USA ausgehende Finanzkrise ab 2008. IT-Aktien waren nicht mehr attraktiv, obwohl ihre Bewertung wesentlich günstiger geworden war. Die vergleichsweise höhere Bewertung der Schwellenländer-Aktien störte niemanden.

Ab dem Jahr 2010 begann dann der Siegeslauf der US- und IT-Titel (Grafik19) und die Aktienkurse der Schwellenländer blieben weit zurück; die Kapitalmärkte hatten mal wieder einen neuen Favoriten. Auch jetzt ist ein Favoritenwechsel zu erwarten, von dem viele andere Aktienmärkte, aber auch andere Branchen in den USA profitieren werden.

Der Zusammenbruch des Wohnungsbaus in China (Grafik 25) belastet zwar die chinesische Wirtschaft erheblich und ist die Hauptursache für das deutliche und für China völlig neue Schrumpfen der Frühindikatoren (Grafik 26). Daraus folgt jedoch für die chinesische Regierung und Zentralbank die Notwendigkeit, durch Zinssenkungen und weitere Lockerungsmaßnahmen Konsum und Investitionen in anderen Bereichen anzuregen. Der langfristige Zins ist seit Ende November gut sichtbar auf einen historischen Tiefststand gefallen (Grafik 27).

Daraus leiten sich einige mögliche positive Entwicklungen ab. Seit 2011 stiegen die Aktivitäten im chinesischen Wohnungsbau vor dem jüngsten Zusammenbruch nur noch langsam an. Ähnlich war die Entwicklung der Rohstoffpreise, die jetzt möglicherweise ebenfalls nachgeben und dem durch Trumps falsche Politik bald wieder steigenden Inflationsdruck entgegenwirken könnten. Tiefere Zinsen in China werden den Konsum unterstützen und   dadurch der Exportwirtschaft in Europa helfen. Da sinkende Zinsen festverzinsliche Wertpapiere für chinesische Anleger unattraktiver machen, dürften diese sich verstärkt dem Gold zuwenden.

Eine zusätzliche Stütze für den Goldpreis besteht in der bröckelnden Bonität diverser Staaten (Grafik 29). Frankreichs Rating wurde bereits vor der dortigen Regierungskrise im vergangenen Sommer von der Ratingagentur S&P gesenkt, die Agentur Moody´s folgte diesem Schritt am 14. Dezember 2024. In den USA verlor die Regierung schon im Jahr 2013 das AAA-Spitzenrating von S&P, seit November 2023 zieht auch Moodys eine erste Herabstufung in Erwägung. Insbesondere Trumps geplante weitere Steuersenkungen für Unternehmen, aber auch Steuerbefreiung von Trinkgeldern und die Verlängerung der zeitlich begrenzten Steuersenkung aus Trumps erster Präsidentschaft erhöhen das Staatsdefizit und die Wahrscheinlichkeit einer Senkung der Bonitätsnoten. Anleger, die eine sichere Anlage suchen, werden sich vermehrt von Staatsanleihen ab- und dem Gold zuwenden.

Die Kosten des Krieges in der Ukraine werden auch für den Angreifer Russland allmählich zum Problem. Die vom schwedischen Friedensforschungsinstitut Sipri ermittelten Rüstungsausgaben Russlands sind schon beim ersten Angriff auf die Ukraine im Jahr 2014 fast so stark gestiegen wie ab 2022, dem zweiten Angriff (Grafik 30, Werte bis 2023). Die gesamtwirtschaftlichen Schäden waren ab 2014 erheblich (Grafik 31). Russland und die bedrängte Ukraine sind seit dem ersten Angriff im Vergleich zu anderen osteuropäischen Ländern wirtschaftlich stark zurückgefallen (Grafik 31). Die Bereitschaft, Friedensverhandlungen aufzunehmen, dürfte daher zunehmen; Trump wird entsprechenden Druck ausüben.

Damit könnten die politischen Risiken Europas zumindest vorübergehend etwas günstiger eingeschätzt werden. Falls Europa, das den ersten Schuss (Angriff Russlands 2014) nicht hören wollte – siehe die unverändert niedrigen Rüstungsausgaben europäischer Länder in Grafik 30 –, den zweiten Schuss vernommen haben sollte und die Rüstungsausgaben deutlich anhebt, wie es Trump nicht ganz zu Unrecht fordert, wären die politischen Risiken sogar nachhaltig abgesenkt worden. Ein Wiederaufbau der Ukraine könnte dem europäischen Wirtschaftswachstum helfen.

Eine strukturelle Verbesserung gibt es auch bei der Geldpolitik in der Eurozone. Seit der Finanzkrise 2008 ist der Anteil der Eurozone an der globalen Wirtschaftsleistung wesentlich stärker gefallen als in europäischen Ländern mit einer eigenen Zentralbank, z.B. Schweiz oder Großbritannien (Grafik 32). Der wichtigste Grund dafür liegt in zwei folgenschweren Fehlern der Europäischen Zentralbank. Als die US-Zentralbank schon vor der Lehman-Pleite im September 2008 die Zinsen stark gesenkt hatte, weil man die wachsenden Probleme am heimischen Immobilienmarkt sah, nahm die EZB – damals noch stark unter dem Einfluss der Deutschen Bundesbank – im Sommer 2008 sogar noch eine Zinserhöhung vor, weil die Ölpreise gestiegen waren und man daraus ein Inflationsrisiko ableitete (Grafik 33). Dass auch etliche europäische Länder (Spanien, Portugal, Irland, aber nicht Deutschland) aufgeblähte Immobilienmärkte hatten, sah man nicht und musste dann hektisch die Zinssenkungen nachholen. Wegen der zu späten und zu schwachen Reaktion der EZB – sie druckte kaum frisches Geld zur Kriseneindämmung (Grafik 34) - kam es ab Herbst 2010 zu finanziellen Problemen in Irland und Portugal mit der Folge eines Rettungspakets für diese beiden Länder. 2011 folgten dann steigende Zinsen für italienische und spanische Staatsanleihen, bei denen man ebenfalls Bonitätsprobleme erkannte. Die EZB senkte die Zinsen aber nicht, sondern erhöhte sie sogar zweimal und druckte erneut kein frisches Geld (Grafik 35) – warum auch immer. Die Folge war eine Rezession, die es nur in der Eurozone gab, was man am schnellen Absacken der relativen Wirtschaftsleistung von 2010 bis 2015 nur in der Eurozone (Grafik 32) ablesen kann. Nun hatte die EZB dazugelernt. Als die Amerikaner während der ersten Amtszeit von Donald Trump ab 2016 die Zinsen erhöhten, blieb die EZB völlig zu Recht untätig. Mit den steigenden Inflationsraten ab 2021 agierte sie sogar vorsichtiger als die US-Zentralbank, aber bei den Zinssenkungen im Jahr 2024 reagierte sie ebenso schnell. Seit dem Ende der Eurokrise fällt der Anteil der Eurozone am weltweiten Volkseinkommen nicht mehr schneller als der anderer europäischer Länder

Man darf demzufolge davon ausgehen, dass die EZB sich künftig um die heimische Inflationsentwicklung, aber auch um die Wirtschaft kümmert und sich damit von einer durch Trumps seltsamen Politikmix versursachten Wende der Inflationstendenz in den USA nach oben nicht beeindrucken lassen wird. Das könnte ein weiterer relativer Vorteil Europas in den kommenden Jahren sein und die Kapitalströme nicht mehr ausschließlich in die USA und den dortigen IT-Sektor, sondern auch wieder vermehrt in preiswertere Aktien in anderen Regionen und Branchen lenken.  

Fazit:

Am US-Aktienmarkt sowie bei Wohnimmobilien und auch beim US-Dollar werden die erheblichen Risiken, die aus den inflationssteigernden Ideen von Donald Trump (Zölle und Massenabschiebungen) erwachsen, ausgeblendet. Der Chef der US-Zentralbank hat diese Risiken jedoch im Blick, so dass die Gefahr bald wieder steigender Zinsen in den USA wächst. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die stark überbewerteten Teile des US-Aktienmarktes, aber auch der Wohnimmobilienmarkt im Jahr 2025 fallen werden. Auch am US-Unternehmensanleihemarkt werden die Risiken ausgeblendet; dieser ist ebenfalls Rückschlags gefährdet. Den optimistischen Prognosen der US-Aktienstrategen sollte man kein nennenswertes Vertrauen entgegenbringen.

US-Aktien außerhalb der Technologiebranche werden ebenso wie viele Aktienmärkte in Asien und Europa von einem anstehenden Favoritenwechsel profitieren. Chinas Probleme werden die Regierung zwingen, den Konsum zu unterstützen, was dem exportstarken Europa hilft. Von Zinssenkungen in China wird auch der Goldpreis profitieren, ebenso wie von den wachsenden Bonitätsproblemen vieler Industriestaaten. Die geopolitische Lage in Europa könnte sich durch ein Ende des Krieges in der Ukraine, der auf beiden Seiten zu enormen Verlusten und Kosten geführt hat, kurzfristig und durch eine Erhöhung der Verteidigungsanstrengungen der europäischen Länder auch langfristig verbessern. Schließlich hat die Geldpolitik der EZB aus einigen Fehlern in ihrer Jugendzeit gelernt und dürfte in kommenden Krisen schnell und wirksam helfen.

Abschließend unsere Kernaussagen aus dem Kapitalmarktausblick vom Dezember 2021, den Sie hier finden:

Vor 3 Jahren untersuchten wir die Auswirkungen möglicher Zinssteigerungen weltweit – der Anstieg der Inflationsraten hatte begonnen. Im Ergebnis erwarteten wir Zinssteigerungen, die deutlich schwächer ausfallen würden als die Konsumentenpreissteigerungen, was sowohl in den USA als auch in Europa ab 2022 genauso eintrat. Die Zinssteigerungen erreichten lediglich die Hälfte der Inflationsraten. Bei Immobilien erwarteten wir keinen nachhaltigen Preisrückgang, da bei höherer Inflation und moderater Zinserhöhung eher mittelfristig eine weitere Wertsteigerung anzunehmen wäre. Da der Inflations- und Zinsanstieg nach dem Angriff der Russen auf die Ukraine aber sehr schnell stattfand, gerieten die Wohnimmobilienpreise unter Druck. Seit Dezember 2023 steigen sie wieder leicht an, aber bisher sind die Wertrückgänge nicht ausgeglichen worden. Am Aktienmarkt gingen wir davon aus, dass die europäischen Aktienmärkte aufgrund ihrer tieferen Bewertung unter steigenden Zinsen weniger leiden würden als die amerikanischen. Genau dies traf ein; bis September 2022 fielen US-Aktien um ca. 25%, europäische nur um 15%.

Den Kapitalmarktausblick können Sie auch hier herunterladen.

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