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„Ich hatte für mein erstes Start-up mein Erspartes eingesetzt, das war komplett weg.”

19.3.2024

Jonas Thiemann will es Schauspiellegende Klaus Kinski nachmachen und plant, für Wirbel in Amerika zu sorgen. Mit seinem Gaming-Start-up Applike Group hat er ein Büro in Boston eröffnet und mit dem Finanzdienstleister Fetch bereits den ersten Großkunden an Land gezogen. Warum eine Finanzfirma mit einem Spieleentwickler kooperieren sollte? Über das und mehr spricht Thiemann im Interview.

Herr Thiemann, was haben Sie sich zuletzt geleistet?

Ich habe jüngst mein Abo für die Elbphilharmonie hier in Hamburg verlängert. Das umfasst acht Konzerte der besten Orchester der Welt. Es ist auch, soweit ich weiß, das teuerste Klassik-Abo in Hamburg. Deswegen zögere ich jedes Jahr. Aber dann gönne ich es mir doch.

Woher kommt Ihre Begeisterung für klassische Musik?

Als ich sechs Jahre alt war, habe ich meiner Cousine beim Klavierspielen zugehört. Da hat es mich gepackt und nie wieder losgelassen. Meine Mutter hat mir dann ermöglicht, das Klavierspielen selbst zu verfolgen. Sie war alleinerziehend, da war das natürlich nicht so leicht. Mit der Unterstützung meiner Großeltern hat das aber geklappt. Später habe ich dann sogar überlegt, Klavier zu studieren.

Heute sind Sie aber Co-Gründer und CEO einer Mobile-Games-Firma und kein Konzertpianist. Wie kam es zum Richtungswechsel?

Ich habe während der Vorbereitung auf das Studium gemerkt, dass man als Pianist sehr viel allein ist. Man muss üben, üben, üben. Das geht sechs bis acht Stunden am Tag so. Und das wollte ich dann doch nicht den Rest meines Lebens machen. Also habe ich stattdessen – relativ spontan – ein duales Studium bei der Otto Group angefangen.

Mit 20 Jahren haben Sie dann Ihr erstes Start-up gegründet, Copay, eine Firma für Gutscheine. Wie lief das?

Wir waren nach einem Jahr pleite. Das Scheitern war schon sehr hart für mich. Bis dahin hatte ich so etwas noch nie erlebt. Ich hatte für mein erstes Start-up mein Erspartes eingesetzt, das war dann auch komplett weg.

Für die meisten wäre das wohl das Ende ihrer Gründerkarriere gewesen.

Ich bin dann auch erst einmal als Projektleiter M&A zum Verlag Gruner+Jahr gegangen. Allerdings habe ich weiterhin mit Start-ups gearbeitet und den Kontakt zur Branche nicht verloren. Bei G+J haben mein Mitgründer Carlo und ich dann auch die nächste Idee entwickelt und im Verlag um Unterstützung geworben.

Das war justDice, die Keimzelle der Applike Group.

Genau, das ist im Prinzip ein Loyalty-Programm, das Nutzern ermöglicht, neue Games auf Basis ihrer Präferenzen zu finden und auszuprobieren, um dafür belohnt zu werden.

Was genau sind denn Casual Games?

Das sind die einfach strukturierten Handyspiele, die inzwischen jeder Zweite auf dem Handy hat, vom Schüler bis zum Manager. Es ist ein Markt mit riesigen Wachstumschancen. Denn auch Leute, die sich selbst nie als Gamer bezeichnen würden, spielen diese beim Warten auf dem Bus oder zwischen zwei Meetings. Noch sehen das zwar viele als eine Art „Guilty Pleasure“. Aber ich bin mir sicher, dass sich das langsam verändert. Was ja auch okay ist, zwischendurch mal abzuschalten und fünf Minuten Spaß zu haben, ist schließlich nichts Schlimmes.

Zur Applike Group gehören mittlerweile fünf verschiedene Firmen, die alles im Gamesbereich abdecken: die Spieleentwicklung, den Vertrieb, den Werbeflächenverkauf. Warum wollen Sie alles selbst machen?

Weil es eine Menge Synergien gibt. Wir können alles, was wir an Technologie entwickeln, direkt in unseren eigenen Spielen testen. Und die neuen Spiele statten wir wiederum direkt mit der erprobten Technologie aus. Das funktioniert auch hervorragend, wir sind seit acht Jahren profitabel.

Jüngst haben Sie auch den Schritt in die USA gewagt. Gibt es so etwas wie die Applike Group dort etwa nicht?

Ja und nein. Hyper-Casual-Games-Produzenten und Mobile-Adtech-Firmen gibt es auch in den USA. Aber manches machen wir anders als die Anbieter dort. So zum Beispiel unser Produkt adjoe Arcade: Das können Firmen nutzen, um Mobile Games in ihr Angebot zu integrieren und ihren Nutzern darüber Benefits zukommen zu lassen. Unser erster amerikanischer Kunde ist Fetch, das ist das führende Loyalty-Programm vor Ort, das ähnlich wie Payback in Deutschland funktioniert. Deren Kunden können nun in der Fetch-App Punkte in diesen Spielen sammeln und bekommen so Vorteile. Das bedeutet mehr Engagement in der App, höhere In-App-Transaktionen und auch zusätzliche Erlösströme.

Sind solche Kooperationen mit Firmenkunden das nächste große Ding für die Applike Group?

Wir arbeiten auf jeden Fall vermehrt daran. In unserer neuesten Firma Tabbler wollen wir zukünftig auch gebrandete Spiele für große B2C-Marken bauen. Ein Autohersteller könnte bei uns zum Beispiel ein Rennspiel bestellen, um seine Kunden anzulocken. Das ist ein ganz neuer Marketingkanal, den wir den Unternehmen anbieten können.

Klingt so, als wollten Sie sich nicht so bald als CEO verabschieden. Haben Sie noch gar nicht über einen Exit nachgedacht?

Nein. Applike ist mein Lebenswerk. So eine Firma baue ich nicht noch einmal auf, das ist mir klar. Und am Ende ist es ein toller Job, mit so viel mehr Freiheit als die meisten Menschen haben.

Also bleibt das Klavier erstmal im Keller?

Ach was, ich spiele ja weiterhin, zweimal die Woche mindestens – und das im Wohnzimmer. Freizeit und Ablenkung müssen sein, als 80-Wochenstunden-Unternehmer hat man keine guten Ideen mehr – und gute Ideen machen die Applike Group einfach aus.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person:

Jonas Thiemann ist Co-Gründer und -CEO der Applike Group. Seit 2014 hat er die Unternehmensgruppe kontinuierlich erweitert. Zuvor arbeitete er beim Verlag Gruner+Jahr und gründete bereits ein weiteres Unternehmen. Thiemann hat ein duales Studium der Business Administration bei der Otto Group absolviert.

„Ich hatte für mein erstes Start-up mein Erspartes eingesetzt, das war komplett weg.”

Interviews

„Ich hatte für mein erstes Start-up mein Erspartes eingesetzt, das war komplett weg.”

19.3.2024

Lars-Thorben Niggehoff

Jonas Thiemann ist CEO und Gründer der Applike Group, einem der größten deutschen Mobile-Games-Entwickler. Im Interview spricht er über die Videospielwelt, seine Misserfolge als Gründer und verrät, warum er eigentlich Konzertpianist werden wollte.

Jonas Thiemann will es Schauspiellegende Klaus Kinski nachmachen und plant, für Wirbel in Amerika zu sorgen. Mit seinem Gaming-Start-up Applike Group hat er ein Büro in Boston eröffnet und mit dem Finanzdienstleister Fetch bereits den ersten Großkunden an Land gezogen. Warum eine Finanzfirma mit einem Spieleentwickler kooperieren sollte? Über das und mehr spricht Thiemann im Interview.

Herr Thiemann, was haben Sie sich zuletzt geleistet?

Ich habe jüngst mein Abo für die Elbphilharmonie hier in Hamburg verlängert. Das umfasst acht Konzerte der besten Orchester der Welt. Es ist auch, soweit ich weiß, das teuerste Klassik-Abo in Hamburg. Deswegen zögere ich jedes Jahr. Aber dann gönne ich es mir doch.

Woher kommt Ihre Begeisterung für klassische Musik?

Als ich sechs Jahre alt war, habe ich meiner Cousine beim Klavierspielen zugehört. Da hat es mich gepackt und nie wieder losgelassen. Meine Mutter hat mir dann ermöglicht, das Klavierspielen selbst zu verfolgen. Sie war alleinerziehend, da war das natürlich nicht so leicht. Mit der Unterstützung meiner Großeltern hat das aber geklappt. Später habe ich dann sogar überlegt, Klavier zu studieren.

Heute sind Sie aber Co-Gründer und CEO einer Mobile-Games-Firma und kein Konzertpianist. Wie kam es zum Richtungswechsel?

Ich habe während der Vorbereitung auf das Studium gemerkt, dass man als Pianist sehr viel allein ist. Man muss üben, üben, üben. Das geht sechs bis acht Stunden am Tag so. Und das wollte ich dann doch nicht den Rest meines Lebens machen. Also habe ich stattdessen – relativ spontan – ein duales Studium bei der Otto Group angefangen.

Mit 20 Jahren haben Sie dann Ihr erstes Start-up gegründet, Copay, eine Firma für Gutscheine. Wie lief das?

Wir waren nach einem Jahr pleite. Das Scheitern war schon sehr hart für mich. Bis dahin hatte ich so etwas noch nie erlebt. Ich hatte für mein erstes Start-up mein Erspartes eingesetzt, das war dann auch komplett weg.

Für die meisten wäre das wohl das Ende ihrer Gründerkarriere gewesen.

Ich bin dann auch erst einmal als Projektleiter M&A zum Verlag Gruner+Jahr gegangen. Allerdings habe ich weiterhin mit Start-ups gearbeitet und den Kontakt zur Branche nicht verloren. Bei G+J haben mein Mitgründer Carlo und ich dann auch die nächste Idee entwickelt und im Verlag um Unterstützung geworben.

Das war justDice, die Keimzelle der Applike Group.

Genau, das ist im Prinzip ein Loyalty-Programm, das Nutzern ermöglicht, neue Games auf Basis ihrer Präferenzen zu finden und auszuprobieren, um dafür belohnt zu werden.

Was genau sind denn Casual Games?

Das sind die einfach strukturierten Handyspiele, die inzwischen jeder Zweite auf dem Handy hat, vom Schüler bis zum Manager. Es ist ein Markt mit riesigen Wachstumschancen. Denn auch Leute, die sich selbst nie als Gamer bezeichnen würden, spielen diese beim Warten auf dem Bus oder zwischen zwei Meetings. Noch sehen das zwar viele als eine Art „Guilty Pleasure“. Aber ich bin mir sicher, dass sich das langsam verändert. Was ja auch okay ist, zwischendurch mal abzuschalten und fünf Minuten Spaß zu haben, ist schließlich nichts Schlimmes.

Zur Applike Group gehören mittlerweile fünf verschiedene Firmen, die alles im Gamesbereich abdecken: die Spieleentwicklung, den Vertrieb, den Werbeflächenverkauf. Warum wollen Sie alles selbst machen?

Weil es eine Menge Synergien gibt. Wir können alles, was wir an Technologie entwickeln, direkt in unseren eigenen Spielen testen. Und die neuen Spiele statten wir wiederum direkt mit der erprobten Technologie aus. Das funktioniert auch hervorragend, wir sind seit acht Jahren profitabel.

Jüngst haben Sie auch den Schritt in die USA gewagt. Gibt es so etwas wie die Applike Group dort etwa nicht?

Ja und nein. Hyper-Casual-Games-Produzenten und Mobile-Adtech-Firmen gibt es auch in den USA. Aber manches machen wir anders als die Anbieter dort. So zum Beispiel unser Produkt adjoe Arcade: Das können Firmen nutzen, um Mobile Games in ihr Angebot zu integrieren und ihren Nutzern darüber Benefits zukommen zu lassen. Unser erster amerikanischer Kunde ist Fetch, das ist das führende Loyalty-Programm vor Ort, das ähnlich wie Payback in Deutschland funktioniert. Deren Kunden können nun in der Fetch-App Punkte in diesen Spielen sammeln und bekommen so Vorteile. Das bedeutet mehr Engagement in der App, höhere In-App-Transaktionen und auch zusätzliche Erlösströme.

Sind solche Kooperationen mit Firmenkunden das nächste große Ding für die Applike Group?

Wir arbeiten auf jeden Fall vermehrt daran. In unserer neuesten Firma Tabbler wollen wir zukünftig auch gebrandete Spiele für große B2C-Marken bauen. Ein Autohersteller könnte bei uns zum Beispiel ein Rennspiel bestellen, um seine Kunden anzulocken. Das ist ein ganz neuer Marketingkanal, den wir den Unternehmen anbieten können.

Klingt so, als wollten Sie sich nicht so bald als CEO verabschieden. Haben Sie noch gar nicht über einen Exit nachgedacht?

Nein. Applike ist mein Lebenswerk. So eine Firma baue ich nicht noch einmal auf, das ist mir klar. Und am Ende ist es ein toller Job, mit so viel mehr Freiheit als die meisten Menschen haben.

Also bleibt das Klavier erstmal im Keller?

Ach was, ich spiele ja weiterhin, zweimal die Woche mindestens – und das im Wohnzimmer. Freizeit und Ablenkung müssen sein, als 80-Wochenstunden-Unternehmer hat man keine guten Ideen mehr – und gute Ideen machen die Applike Group einfach aus.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person:

Jonas Thiemann ist Co-Gründer und -CEO der Applike Group. Seit 2014 hat er die Unternehmensgruppe kontinuierlich erweitert. Zuvor arbeitete er beim Verlag Gruner+Jahr und gründete bereits ein weiteres Unternehmen. Thiemann hat ein duales Studium der Business Administration bei der Otto Group absolviert.

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Über den Autor

Lars-Thorben Niggehoff

„Ich hatte für mein erstes Start-up mein Erspartes eingesetzt, das war komplett weg.”„Ich hatte für mein erstes Start-up mein Erspartes eingesetzt, das war komplett weg.”

Lars-Thorben Niggehoff schreibt über Immobilien, Start-Ups und Geldanlage.

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