Interviews

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„Viele von uns haben die Verbindung zur Natur verloren”

15.2.2024

Der Moment, der ihr Leben noch einmal grundlegend verändert hat, liegt nun schon etwas zurück. Die Welt schrieb das Jahr 2007, Felicitas von Peter saß auf einem Schiff und lauschte, wie das Eis eines Gletschers sich bewegte, knarrte, ächzte und grölte. In diesem Moment, so sagt sie heute, hat sie die Klimakrise nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen verstanden. Daraufhin begann sie mit ihrem gemeinnützigen Unternehmen Active Philanthropy neben Wissen und Beratung auch geführte Touren nach Grönland anzubieten. Dort können Vermögende und solche mit großem Einfluss auf Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft im Dialog mit Wissenschaftlern erfahren, was der Klimawandel eigentlich bedeutet, und diskutieren, was jeder dagegen tun kann. Seit etwa sechs Jahren konzentriert sich das Unternehmen ausschließlich auf die Klimakrise und ihre Auswirkungen. Dank von Peter und ihrem Team sind bereits hunderte Millionen Euro in nachhaltige Projekte geflossen. Für die Macherin ist das vor allem eins: zu wenig.

Frau von Peter, was haben Sie sich zuletzt geleistet?

Ich habe mir eine knallorangene Jacke von Patagonia gekauft, allerdings aus der Worn-Wear-Kollektion. Seit ich diese Abteilung entdeckt habe, ist das meine Lieblingsabteilung. Man kann die Jacken da auch ein Leben lang reparieren lassen, das finde ich total cool und ist natürlich auch sehr nachhaltig.

Warum denn Knallorange?

Ich mag die Farbe sehr. Noch dazu ist sie auch für meine Arbeit praktisch. Wir veranstalten mit Active Philanthropy jedes Jahr Touren nach Grönland, wo wir Menschen mit viel Einfluss oder großen Vermögen zeigen, was der Klimawandel eigentlich wirklich bedeutet. Wenn ich unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer dort begleite, habe ich keine Warnweste oder einen großen Schirm dabei, bin so aber schnell und einfach zu erkennen.

Sie sprechen die Touren schon an. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Ich habe 2007 auf Einladung einer Stiftung aus Schweden selbst so eine Tour mitgemacht. Die hat mich total beeindruckt. Wir waren ganz nah am Gletscher und haben ihn hören können. Da habe ich die Klimakrise erst gänzlich verstanden und durchdrungen. Natürlich kann man auf dem Papier sehen, dass da etwas ins Ungleichgewicht geraten ist, aber wenn Sie vor Ort sind, dann fühlen Sie das, dann sehen Sie das Eis schmelzen, hören es knacken, das trifft Sie mitten ins Herz. Sie merken auch, dass Sie selbst nur eine Ameise sind und die Natur viel größer, viel mächtiger ist – und sich niemals zähmen lassen wird. Viele von uns haben die Verbindung zur Natur verloren. Wir kennen sie vielleicht noch vom Skifahren im Winter und vom Strand im Sommer, aber das ist die gebändigte Natur, nicht die, die uns das Leben zur Hölle machen wird. Wenn die Welt für künftige Generationen lebenswert sein soll, müssen wir jetzt etwas tun.

Was sind die Bedingungen, unter denen Sie jemanden mitnehmen?

Wir suchen Menschen, die wahrlich etwas beeinflussen können. Das kann bedeuten, dass sie in der Lage sind, eine Menge Geld zu bewegen, oder auch, dass sie in entscheidender Position sitzen oder bald sitzen werden. Wer beispielsweise im Aufsichtsrat eines Unternehmens sitzt, kann vielleicht viel mehr bewirken als manch ein Einzelspender. Ein Politikberater hat wiederum ganz andere Kontakte.

Kann Geld besonders viel verändern?

Nehmen Sie Bill Gates, der jedes Jahr 4,5 Milliarden Euro spendet. Wenn er all dieses Geld in den US-Bildungssektor stecken würde, könnte er damit alle Jahrgänge vom Kindergarten bis zur 12. Klasse finanzieren – und zwar für genau einen Tag. Das Beispiel zeigt, wie wenig eine Person allein ausrichten kann. Wir brauchen ein wirklich großes Netzwerk an hochmotivierten Menschen, die dann auch Geld in die richtige Richtung lenken. Denn Stand heute ist es so: Nur zwei Prozent aller Spendengelder fließen in den Kampf gegen den Klimawandel. Dabei ist der unsere existenziellste Krise. Alle reden immer davon, dass wir den Planeten retten müssen. Das ist Quatsch. Den Planeten wird es weitergeben. Wir müssen uns retten, als Spezies.

Wenn ich nicht nach Grönland fahren will oder da war und nun etwas tun möchte: Was mache ich dann?

Wir bieten neben den Touren natürlich ein vollständiges Portfolio an. Das beginnt bei den zahlreichen Materialien rund um Klimaschutz, die wir speziell für Stifter, Spenderinnen und andere Interessierte aufbereiten. So bieten wir auch einen kompletten Online-Kurs an, der Schritt für Schritt erklärt, was nötig ist, um seine Investments und Spenden in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken und eine Plattform, die gute Klimaprojekte zeigt, die man sofort durch Spenden unterstützen könnte. Jeder kann da in weniger als 15 Minuten herausragende Projekte finden, die wir gemeinsam mit den wichtigsten Klimastiftungen der Welt kuratiert haben. Das vereinfacht effektives Spenden enorm. Außerdem bieten wir individualisierte und persönliche Beratung an. Ich arbeite seit über 20 Jahren in diesem Sektor und kenne die Bedürfnisse von Familien und Family Offices daher gut, wir können sehr genau auf ganz unterschiedliche Wünsche und Rahmenbedingungen eingehen.

Sie machen das schon sehr lange. Wie sind Sie überhaupt in diese Branche gekommen?

Ich wollte ursprünglich etwas anderes machen, so wie vermutlich die meisten Menschen nicht in ihrem Traumberuf gelandet sind. Ich habe Politik und Philosophie studiert, war in Frankreich, England, Portugal, hatte meine Promotion mit 26 Jahren und wollte in den Journalismus. Da habe ich schnell gemerkt, dass das nicht mein Ding ist und bin dann zur Bertelsmann-Stiftung gekommen. Dort durfte ich das Stiftungsbüro in den USA aufbauen, dazu ein Joint Venture mit der Rockefeller Stiftung, bei dem wir Spendern und Stiftern beigebracht haben, wie man wirkungsvoll spendet. 2006 habe ich mich selbstständig gemacht und Active Philanthropy gegründet. Ich konnte von Anfang an auf einflussreiche Familien aus Hamburg, München und Zürich setzen, die mich in den ersten Jahren auch finanziell unterstützt haben. Seither haben wir mit Active Philanthropy Spenderinnen, Spender und Stiftungen begleitet, die hunderte Millionen Euro an gute, geprüfte Projekte gespendet haben, und es werden immer mehr.

Das ist viel Geld. Was wäre Ihr großer Traum?

Ein Wunschtraum wäre es, dass wir es schaffen, die Grenzen der Belastbarkeit des Planeten nicht dauerhaft zu überschreiten. Dafür müssen wir die Welt in den nächsten Jahren so verändern, dass zumindest unsere Enkelkinder die Chance haben, wieder in einer „nur” 1,5 Grad heißeren Welt leben zu können. Wir können das noch schaffen! Aber wir müssen eben jetzt etwas tun, damit wir noch eine Chance haben. Es gibt dafür unendlich viele Möglichkeiten. Wir müssen sie aber auch ergreifen, ansonsten steigen die Kosten ins Unermessliche und wir entziehen uns selbst und künftigen Generationen unsere Lebensgrundlage. Das Teuerste, das wir tun können, ist nichts zu tun. Dass das nicht so ist, dafür kämpfe ich jeden Tag.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person:

Felicitas von Peter gründete Active Philanthropy im Jahr 2006 als Plattform für Stifterinnen, Spender und soziale Investoren, die die Welt zum Besseren verändern wollen. Zuvor arbeitete sie als Direktorin bei der Bertelsmann Stiftung und führte zuletzt die nationalen und internationalen Stifterprogramme der Stiftung.

„Viele von uns haben die Verbindung zur Natur verloren”

Interviews

„Viele von uns haben die Verbindung zur Natur verloren”

15.2.2024

Nils Wischmeyer

Felicitas von Peter ist Vordenkerin der aktiven Philanthropie. Mit ihrem Team bringt sie unter anderem wichtige Leute nach Grönland, damit sie den Klimawandel verstehen. Im Interview spricht sie über bunte Jacken, Bill Gates – und darüber, was diese Touren bringen.

Der Moment, der ihr Leben noch einmal grundlegend verändert hat, liegt nun schon etwas zurück. Die Welt schrieb das Jahr 2007, Felicitas von Peter saß auf einem Schiff und lauschte, wie das Eis eines Gletschers sich bewegte, knarrte, ächzte und grölte. In diesem Moment, so sagt sie heute, hat sie die Klimakrise nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen verstanden. Daraufhin begann sie mit ihrem gemeinnützigen Unternehmen Active Philanthropy neben Wissen und Beratung auch geführte Touren nach Grönland anzubieten. Dort können Vermögende und solche mit großem Einfluss auf Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft im Dialog mit Wissenschaftlern erfahren, was der Klimawandel eigentlich bedeutet, und diskutieren, was jeder dagegen tun kann. Seit etwa sechs Jahren konzentriert sich das Unternehmen ausschließlich auf die Klimakrise und ihre Auswirkungen. Dank von Peter und ihrem Team sind bereits hunderte Millionen Euro in nachhaltige Projekte geflossen. Für die Macherin ist das vor allem eins: zu wenig.

Frau von Peter, was haben Sie sich zuletzt geleistet?

Ich habe mir eine knallorangene Jacke von Patagonia gekauft, allerdings aus der Worn-Wear-Kollektion. Seit ich diese Abteilung entdeckt habe, ist das meine Lieblingsabteilung. Man kann die Jacken da auch ein Leben lang reparieren lassen, das finde ich total cool und ist natürlich auch sehr nachhaltig.

Warum denn Knallorange?

Ich mag die Farbe sehr. Noch dazu ist sie auch für meine Arbeit praktisch. Wir veranstalten mit Active Philanthropy jedes Jahr Touren nach Grönland, wo wir Menschen mit viel Einfluss oder großen Vermögen zeigen, was der Klimawandel eigentlich wirklich bedeutet. Wenn ich unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer dort begleite, habe ich keine Warnweste oder einen großen Schirm dabei, bin so aber schnell und einfach zu erkennen.

Sie sprechen die Touren schon an. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Ich habe 2007 auf Einladung einer Stiftung aus Schweden selbst so eine Tour mitgemacht. Die hat mich total beeindruckt. Wir waren ganz nah am Gletscher und haben ihn hören können. Da habe ich die Klimakrise erst gänzlich verstanden und durchdrungen. Natürlich kann man auf dem Papier sehen, dass da etwas ins Ungleichgewicht geraten ist, aber wenn Sie vor Ort sind, dann fühlen Sie das, dann sehen Sie das Eis schmelzen, hören es knacken, das trifft Sie mitten ins Herz. Sie merken auch, dass Sie selbst nur eine Ameise sind und die Natur viel größer, viel mächtiger ist – und sich niemals zähmen lassen wird. Viele von uns haben die Verbindung zur Natur verloren. Wir kennen sie vielleicht noch vom Skifahren im Winter und vom Strand im Sommer, aber das ist die gebändigte Natur, nicht die, die uns das Leben zur Hölle machen wird. Wenn die Welt für künftige Generationen lebenswert sein soll, müssen wir jetzt etwas tun.

Was sind die Bedingungen, unter denen Sie jemanden mitnehmen?

Wir suchen Menschen, die wahrlich etwas beeinflussen können. Das kann bedeuten, dass sie in der Lage sind, eine Menge Geld zu bewegen, oder auch, dass sie in entscheidender Position sitzen oder bald sitzen werden. Wer beispielsweise im Aufsichtsrat eines Unternehmens sitzt, kann vielleicht viel mehr bewirken als manch ein Einzelspender. Ein Politikberater hat wiederum ganz andere Kontakte.

Kann Geld besonders viel verändern?

Nehmen Sie Bill Gates, der jedes Jahr 4,5 Milliarden Euro spendet. Wenn er all dieses Geld in den US-Bildungssektor stecken würde, könnte er damit alle Jahrgänge vom Kindergarten bis zur 12. Klasse finanzieren – und zwar für genau einen Tag. Das Beispiel zeigt, wie wenig eine Person allein ausrichten kann. Wir brauchen ein wirklich großes Netzwerk an hochmotivierten Menschen, die dann auch Geld in die richtige Richtung lenken. Denn Stand heute ist es so: Nur zwei Prozent aller Spendengelder fließen in den Kampf gegen den Klimawandel. Dabei ist der unsere existenziellste Krise. Alle reden immer davon, dass wir den Planeten retten müssen. Das ist Quatsch. Den Planeten wird es weitergeben. Wir müssen uns retten, als Spezies.

Wenn ich nicht nach Grönland fahren will oder da war und nun etwas tun möchte: Was mache ich dann?

Wir bieten neben den Touren natürlich ein vollständiges Portfolio an. Das beginnt bei den zahlreichen Materialien rund um Klimaschutz, die wir speziell für Stifter, Spenderinnen und andere Interessierte aufbereiten. So bieten wir auch einen kompletten Online-Kurs an, der Schritt für Schritt erklärt, was nötig ist, um seine Investments und Spenden in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken und eine Plattform, die gute Klimaprojekte zeigt, die man sofort durch Spenden unterstützen könnte. Jeder kann da in weniger als 15 Minuten herausragende Projekte finden, die wir gemeinsam mit den wichtigsten Klimastiftungen der Welt kuratiert haben. Das vereinfacht effektives Spenden enorm. Außerdem bieten wir individualisierte und persönliche Beratung an. Ich arbeite seit über 20 Jahren in diesem Sektor und kenne die Bedürfnisse von Familien und Family Offices daher gut, wir können sehr genau auf ganz unterschiedliche Wünsche und Rahmenbedingungen eingehen.

Sie machen das schon sehr lange. Wie sind Sie überhaupt in diese Branche gekommen?

Ich wollte ursprünglich etwas anderes machen, so wie vermutlich die meisten Menschen nicht in ihrem Traumberuf gelandet sind. Ich habe Politik und Philosophie studiert, war in Frankreich, England, Portugal, hatte meine Promotion mit 26 Jahren und wollte in den Journalismus. Da habe ich schnell gemerkt, dass das nicht mein Ding ist und bin dann zur Bertelsmann-Stiftung gekommen. Dort durfte ich das Stiftungsbüro in den USA aufbauen, dazu ein Joint Venture mit der Rockefeller Stiftung, bei dem wir Spendern und Stiftern beigebracht haben, wie man wirkungsvoll spendet. 2006 habe ich mich selbstständig gemacht und Active Philanthropy gegründet. Ich konnte von Anfang an auf einflussreiche Familien aus Hamburg, München und Zürich setzen, die mich in den ersten Jahren auch finanziell unterstützt haben. Seither haben wir mit Active Philanthropy Spenderinnen, Spender und Stiftungen begleitet, die hunderte Millionen Euro an gute, geprüfte Projekte gespendet haben, und es werden immer mehr.

Das ist viel Geld. Was wäre Ihr großer Traum?

Ein Wunschtraum wäre es, dass wir es schaffen, die Grenzen der Belastbarkeit des Planeten nicht dauerhaft zu überschreiten. Dafür müssen wir die Welt in den nächsten Jahren so verändern, dass zumindest unsere Enkelkinder die Chance haben, wieder in einer „nur” 1,5 Grad heißeren Welt leben zu können. Wir können das noch schaffen! Aber wir müssen eben jetzt etwas tun, damit wir noch eine Chance haben. Es gibt dafür unendlich viele Möglichkeiten. Wir müssen sie aber auch ergreifen, ansonsten steigen die Kosten ins Unermessliche und wir entziehen uns selbst und künftigen Generationen unsere Lebensgrundlage. Das Teuerste, das wir tun können, ist nichts zu tun. Dass das nicht so ist, dafür kämpfe ich jeden Tag.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Über den Autor

Nils Wischmeyer

„Viele von uns haben die Verbindung zur Natur verloren”„Viele von uns haben die Verbindung zur Natur verloren”

Nils Wischmeyer schreibt über Finanzmärkte, Geldanlage, Banken, Bankenregulierung und Wirtschaftskriminalität.

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